Ay Gemeinde,
ziemlich beseelt möchte ich euch an meinem Glück teilhaben lassen. Hier ist ja der Talk, hier darf ich das ja auch...
Kiel hat die Weihnachtsbeleuchtung rausgehängt und die Punschbuden eröffnet. Und da konnte ich es mir gestern abend nicht nehmen lassen, noch ein wenig durch die Straßen zu cruisen, denn Weihnachten finde ich trotz allem Kommerz und Dominosteinen-schon-im-Juli jedes Jahr so richtig wunderschön. Seufz.
Also die Sitzheizung auf 5 (Maadin schreit auf), Klima auf 23 Grad und im Wechsler eine dudelige CD, die ich eigentlich für meine größere Tochter zusammengestellt hatte (Sade, Jewel, Rosanna und so'n Frauen-Geschmachte) und jetzt selbst immer öfter höre... Nebeliger Sprühregen auf den Scheiben, der 12-Volt-Weihnachtsbaum verbreitet eine angenehme Atmosphäre auf dem Cockpit. Und was ein richtiger Weihnachtsfan ist, der trägt beim Fahren auch eine Weihnachtsmütze. Ich mach das in den Wochen vor Weihnachten jedenfalls so.
Und so gleite ich wie auf einem Luftkissen völlig übermotorisiert durch dieses Städtchen, bemitleide durchnässte Radfahrer, beneide völlig breite Familienväter an den Punschbuden und freu mich schon Ehe-spießig auf die Schnittchenplatte daheim, die Frau und die Kinder, den Fernseher, ein gutes Glas Rotwein und mein Bettchen...
*krachschepper* zerlegt es vor mir eine junge Mama mit ihrem Fahrrad, die war dem Kantstein zu nahe gekommen. Und -ach du Schreck- auf dem Kindersitz ihr kleiner Sohn. Also gleich angehalten, Warnblinker an, schonmal nach dem Handy genestelt und raus aus dem Auto...
Die Mama hatte sich böse den Fuß verknackst, der Kleine hatte sich beide Arme aufgechürft und lächelte mich bittersüß schmerzverzerrt an. Sonst war zum Glück nichts passiert, also hab ich die Schürfwunden des Jungen sauber gewischt (man hat ja die behäkelte Klorolle auf der Ablage) und ihn ein wenig getröstet, während seine Mama das Fahrrad wieder zum Stehen brachte.
Selbstverständlich sind in dieser Zeit pöbelnde und hupende deutsche Fettärsche an uns vorbeigerauscht und haben sich wild gestikulierend über das Verkehrshindernis beschwert. Angehalten hat natürlich keiner.
Als dann alles soweit wieder im Lot war und ich inzwischen nass bis auf die Knochen, wollte ich gerade wieder einsteigen, als der kleine Junge mich noch schluchzend fragt: "Sag mal, bist du der Weihnachtsmann...? Der hat doch eigentlich ein rotes Auto und kein schwarzes!"
Ich hatte die Mütze noch auf...
Mächtig gerührt erklärte ich ihm, dass ich leider NICHT der Weihnachtsmann sei, aber ein Freund von ihm, und die 280 schwarzen Pferde vor meinem Schlitten können auch nur gaaaanz tapfere Indianerkinder sehen...
Das fand er toll, kniff die Augen zusammen und meinte dann: "jaaaa Mama, kuck mal, ein ganz paar von den Pferden sehe ich ganz verschwommen!!! Bin ich auch ein echter Indianer???"
Der Schmerz war vergessen, und beide verschwanden in der Dunkelheit.
So machte ich mich auf den Heimweg und unterließ vorweihnachtlich alle aggressiven V8-Gemetzel... ließ den Smart überholen... winkte den verirrten Hamburger höflich rein... hupte nicht die obligatorischen Bei-rot-Gänger von der Straße sondern bremste ab und wartete (der hinter mit hupte dann für mich, auch gut)... ließ den Bus ausfahren... ärgerte mich nicht über den Polo vor mir, der den ultimativ allerletzten Parkplatz erwischte.... und kam gelassen daheim an, und fläzte mich mit meinen Frauen vor die Glotze mit dem guten Gefühl, mal wieder echt lieb gewesen zu sein.
Der Weihnachtsmann hat einen Freund, liebe Gemeinde. Und der hat einen Schlitten mit einer Menge Pferden, zählt sie mal nach, wenn ihr auch echte Indianer seid.
Ist Weihnachten nicht klasse???
Sandman