Ay Andreas,

du hast leider nur ansatzweise meine Zustimmung.
Vorweg muss ich dazu sagen, dass wir hier wohl nur Meinungen zusammentragen können, denn wirklich bewegen können wir allerhöchstens was bei unseren eigenen Kindern. Das ist so, als wolle man den tiefergelegten Golf-Bass-Proll an der Ampel neben einem dadurch "erziehen", dass man schneller weg kommt, ihm den Finger zeigt und anschließend das Heckrollo hochfährt. Keine Chance. Ist auch nicht meine Aufgabe.
Weitere überflüssige Erziehungsmaßnahmen sind das Gasgeben, wenn einer einen in den Gegenverkehr rein an einer unmöglichen Stelle überholt. Nicht reinlassen erzieht nämlich keinen, sondern löscht unter Umständen die Familie mit zwei kleinen Kindern aus, die dem Schwachkopf entgegenkommt.

Und genausowenig bringt es was, sich über Eltern aufzuregen, die ihre Kinder nicht vernünftig erziehen oder Politiker, die Bildungsgelder kürzen oder Fernsehsendungen oder Computerspiele oder was weiß ich. Es ist blöderweise immer ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren.

Ein Kind, das seine Erlebnisse zu Hause berichten kann, das Gehör findet und ernst genommen wird in seinen kleinen Problemen kann auch Dieter Bohlen gucken, ohne bleibenden Schaden zu bekommen (vielleicht noch nicht mit zwei Jahren, das stimmt) und kann auch einen blutigen Shooter durchballern, ohne danach Amok in der Schule zu laufen.

Übel wird das, wenn beide Elternteile arbeiten oder sonstwo abhängen, das Kind also viel auch mit seinen Problemen allein gelassen wird. Wenn die Schule vielleicht wie in vielen Großstädten ein sozialer Brennpunkt ist. Wenn daraufhin der Freundeskreis sich entsprechend gestaltet und es keinen interessiert. Dann kommt klassisch der Konsum von Alkohol und Zigaretten dazu, weil das ja erwachsen macht, Cliquenbildung und dann haben wir das Problem von Vorgestern. Das ist natürlich sehr klischeehaft, aber in einer Gesellschaft, wo die Familie keinen großen Stellenwert mehr hat und wo keine guten Werte mehr vermittelt werden können, weil den Eltern einfach die ZEIT dazu fehlt (es MUSS ja immer nur gearbeitet werden, damit die Kohle stimmt) ist diese Entwicklung besorgniserregend.

Nach alter Stammtischmanier auf die Gesellschaft zu schimpfen ist auch müßig, denn wir SIND ja die Gesellschaft. Und schimpfen ändert nichts. Und die Politiker sind auch nur fragmental Schuld, die kürzen zwar ständig den Bildungsetat (und das ist im Bildungsstandort Deutschland schon schlimm genug), aber die sind ja nicht dafür verantwortlich, dass sich immer weniger Eltern um ihre Kinder kümmern, weil sie zwar Bock auf poppen hatten, die Konsequenzen sie allerdings überfordern.

WAAAH mir schwillt echt der Kamm, aber was soll man machen? Ich versuche, meine eigenen Kinder so in die Welt zu stellen, dass sie mit einem gesunden Menschenverstand, mit Ehrlichkeit und mit ganz viel Spaß (und einem Hund) aufwachsen. Das ist schon so ziemlich alles, was man machen kann.
Na ja und in meiner Funktion als Dozent kann ich ja zumindest in den Seminaren für Jugendliche irgendwas rüberbringen. Für Erziehung ist es da wohl schon zu spät, außerdem ist das nicht meine Aufgabe. Ich habe festgestellt, dass es ganz wichtig ist, Menschen zuzuhören und vielleicht gar nicht immer Tipps oder Lösungen anzubieten. Wenn man nur reichlich redet ordnet man seine Gedanken und lässt Aufgestautes nicht an seinen Mitmenschen, Mitschülern oder Nachbarn aus.

Pädagogisches Geschwafel, gell?

Es gibt viele schöne Dinge im Leben, es gibt auch ganz viel Scheiße und es existieren lösbare und unlösbare Probleme. Steht man vor einem unlösbaren, ist es halt Zeit für eine Veränderung. Warum auch nicht? Und was ich in der Hand habe, versuche ich zu verändern. Kinder kann und darf man aber nicht verändern. Dafür haben sie eine viel zu starke Persönlichkeit und sind in unserer verbitterten, sesselpupenden ich-verklage-dich Gesellschaft viel zu wichtig!!! Vielleicht sollten sich viel mehr Erwachsene lieber von den Kindern verändern lassen, anstatt sich immer nur gestört zu fühlen in ihren blickdichten Mietwohnungen. Das wäre einfach wunderbar.

Mit Sonne im Herzen

ein nachdenklicher

Sandman


Alles wird gut.

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