Ay Gemeinde,
gerade rege ich mich noch darüber auf, dass ich wohl gefühlt der einzige bin, der dieser Tage keinen Urlaub hat. Da hagelt es auch schon aus allen Ecken und Enden Beileid und Sympathiebekundungen von anderen, die auch nicht auf Malle, nicht auf den Canaren und nicht in Griechenland schwitzen, sondern - zu Hause.
“Zu Hause” ist bei Familie Sandmann glücklicherweise nicht irgend ein Dorf in der unmittelbaren Nähe von Unna oder Bottrop, sondern Kiel in Schleswig-Holstein. Ihr wisst ja: die Stadt hinter dem Tunnel. Wo angeblich immer schlechtes Wetter ist und so. Und Wind. HA! Nur kein falscher Neid, meine Damen und Herren, aber der Sommer zeigt sich heute (und angeblich auch an den kommenden Tagen) von seiner sonnigsten Seite. Und wir haben hier vor der Tür einen Ostseestrand, für den andere Mitbürger eine Tagesreise auf sich nehmen. Wohnen, wo andere Leute Urlaub machen. Also bei Seite mit dem PC, Stift und Telefon fallen lassen, kleines Töchterchen und diverses Gummigetier gegriffen und ab mit dem Audi V8 an den STRAND!
In der Eile, man möchte ja keinen Sonnenstrahl verpassen, greifen wir uns, was der Schuppen so hergibt. Mein Töchterchen hat leckere Schokomuffins gebacken. Alles Utensil, die Muffins, Orangensaft, Handtücher und eine wie durch ein Wunder noch immer nicht verschollene Fußpumpe wandern in den Kofferraum des Audis. Zum Falckensteiner Strand sind es keine 15 Minuten. Kurz vor 17.00 Uhr, die wollen noch immer Parkplatzgebühren haben? Nö. Irgendwie umfahre ich die Schranken, ignoriere ein paar Schilder und stehe kurz darauf unbehelligt auf dem schattigen Parkplatz. Eine kleine Familie streitet sich in ihrem Hymer-Wohnmobil darum, wer das Fernsehprogramm bestimmen kann. Ein kleiner Junge guckt mit tränennassen Augen seinem auf das Gras geklatschten Erdbeereis nach. Wir packen das Strandspielzeug aus und befüllen es mit abendlicher Sommerluft. Irgend jemand neben mir brabbelt etwas von einem in der Kücke vergessenen Bikini. Es könnte meine Tochter sein, aber die hatte mir ja zum Glück auf Nachfrage versichert, alles eingepackt zu haben. Lassen wir den Abend also entspannt beginnen.
Alles einpacken bedeutet bei einer 8-jährigen 1.) die Muffins und 2.) ein Handtuch. Das war’s dann auch schon. Na gut. Hallo Ostseestrand! Die belustigten Flachwitze einiger nicht einheimischer Landbewohner ignorierend (”Ey kuck mal der telefoniert!” - “Öhöööhö geht das nicht kleiner?”) tragen wir unsere Luftmatratze, ein wirklich riesengroßes Schlauchboot und die Badelaken an ein freies Fleckchen. Es riecht nach Sand, Sonnenöl und Seewasser. Könnt Ihr es spüren??? Nahezu meditative Geräusche umgeben mich. Das monotone “pock - pock - … - pock - ACH SCHEI**E!” der niemals aussterbenden Beachball-Fraktion. Das Gebrüll der kleinen Jungs, die mit der bitteren Erkenntnis leben müssen, dass Sandmauern irgendwann vom Wasser fortgespült werden. Die spitzen Schreie kleiner Mädchen, die eine Qualle im Wasser gesehen haben. Das süffisante Gemurmel heldenhafter Väter, die diese Qualle dem kleinen Sohn geben, damit dieser sie irgendwo einbuddelt. Teenagende Backfische bräunen verschämt ihre werdenden Oberweiten. Es riecht ein wenig nach Grillanzünder, und ich höre auch schon ein paar Bierflaschen klüngeln. Ich mag das hier.
Ein paar Strandimpressionen für alle von Euch, die im Moment zu Hause oder in der Firma sitzen müssen, während das gesamte Umfeld frei hat. Natürlich kann man in diesem Zustand auch Vorteile sehen, wie ihr ja schon schriebt. Endlich mal Ruhe am Telefon und auf den Fluren. Nun - am Falckensteiner Strand jedenfalls tobt das Leben.
Seid Ihr noch da? Fahrt Ihr noch weg? Kommt Ihr womöglich grad wieder zurück??? Manchmal, aber nur manchmal denke ich, dass man vielleicht im Sommer einfach zu Hause bleiben sollte. Zumindest, wenn man in Kiel wohnt. Weiter südlich brennt der Wald, irgendwo auf spanischen Inseln fliegen einem Bomben um die Ohren und selbst der Baggersee in Salzgitter hat doch so seinen Charme. Zumal die Pommes rot-weiß da die mit Abstand besten auf der ganzen Welt sind. Ich nehme mir jetzt bewusst wieder ein bisschen mehr Zeit für meine phantastischen Kinder. Wenn man nicht aufpasst, arbeitet man zu viel und lebt an ihnen vorbei. Und auf einmal sind sie ausgezogen oder machen ihren eigenen Urlaub mit ihren Homies, und man sitzt da allein mit einer Luftmatratze und einem viel zu kleinen Schlauchboot. Die Sentimantalität legen wir mal schön in den Herbst, der Sommer 2009 steht eigentlich noch vor der Tür. Wollen wir ihn reinlassen? JA!
Ich wünsch euch sonnige Tage!!!
Sandmann