Hallo,
also meine Erfahrung in den letzten 12-13 Jahren EDV war, dass es immer auf den Einsatzbereich ankommt - pauschal eine OS-Familie abzuschreiben oder schlechtzureden zeugt in der Regel eindringlich von der eigenen Inkompetenz.
Ich habe in dieser Zeit so ziemlich jeden Mist ausprobiert, den man ausprobieren kann, und das auch in vielen verschiedenen Environments (darunter auch "Exotischeres" wie OS/2, Netware, BeOS etc.). Faustregeln:
- Linux gehört in erster Linie auf Hochverfügbarkeitssysteme (Server), bei denen es auf Performance und Stabilität ankommt, weniger auf Usability
- Linux hat auf dem Desktop absolut seine Daseinsberechtigung (wie alle UNIX-Derivate), wenn Multimedia nicht so vordergründig ist, die Hardware nicht brandneu ist und das Einsatzgebiet ein wenig abgesteckt ist
- Linux ist absolut auch für völlige Laien und Anwender zu gebrauchen, wenn man den Einsatzbereich einschränkt (siehe oben - siehe (1) als Beispiel)
- Windows ist zweifelsohne die Nr. 1 am Desktop und Linux wird noch lange ein Schattendasein fristen, wenn die sich nicht endlich auf einen roten Faden einigen können und geschlossen auftreten
- Bei Microsoft scheint es immer noch ein verkaufsträchtiges Feature zu sein, "sicher und stabil" zu sein. Das ist einfach lächerlich (aber du schreibst selbst: "Vista hat inzwischen sogar keine Systemabstürze mehr"). Windows XP war in der Hinsicht wirklich zu gebrauchen und Vista macht kaum etwas besser, hat dafür aber den dreifachen Memory-Footprint
- XP, Mac-OS-X und Linux-Derivate haben eines gemeinsam: Sie sind schlank und verhältnismäßig Ressourcen-schonend. Vista ist gar nichts von alledem. Bedauerlicherweise bekommt man für das Verbraten von Ressourcen nur eine unnütz bunte Oberfläche für sauteures Geld. Das ist einer der Hauptgründe, warum ich nicht auf Vista umsteige.
- Ein weiterer Grund ist die aktive Abhängigkeit von Microsofts Registrierungsservern. Ich möchte an den Vorfall voriges Monat erinnern, als ein Bug in einem der Updates dafür sorgte, dass rechtmäßig erworbene Vista-Lizenzen als Raubkopien klassifiziert wurden. Das führt im übelsten Fall dazu, dass ein sauteures Vista mir die Arbeit auf meinem eigenen PC verwehrt. Nö - danke.
- MacOS hat mit Version X eine Fusion geschaffen, die Linux seit langem anstrebt und Microsoft gar nicht anstreben möchte: Sie haben einen UNIX-Unterbau mit einer intuitiven und stabilen Benutzeroberfläche gekoppelt. Das war ein Geniestreich und ein wagemutiger Schritt, der sich in jeder Hinsicht ausgezahlt hat.
- Apple tat gut daran, auf die Intel-Plattform umzusteigen, da sie damit x86-Kompatibilität einräumen konnten. Damit eröffnet sich mit dem Mac die Windows-Welt und auch das ist ein verdammt gutes Argument für das Teil.
- Apple hat mit diesen beiden Schritten einerseits den Linuxer auf sich aufmerksam gemacht, dem der mächtige Unterbau samt Shells zu Verfügung steht (und jeder, der mal etwas individualisieren wollte, egal was, weiß, wie übel das MS-Pendant ist) und der nun seine ganzen Anwendungen mirnix-dirnix zur Verfügung hat und andererseits den Windows-User, dem Windows-Software wichtig ist, die sich somit anstandslos auch am Mac betreiben lässt.
- Windows XP kann man anstandslos fünf Jahre lang stabil und flott auf einem unterdurchschnittlichen Rechner (meiner: AMD 1400+, 512MB RAM, wenig HD-Speicher) betreiben. Voraussetzung: Man ist nicht total paranoid und müllt sich 100 Firewalls und nochmal soviel Virenkillern und Antispy-Tools zu. Der ganze Personal-Firewall-Wahn ist überhaupt eine Sache für sich. Ein sehr guter, schlanker Virenkiller und gut ists.
- Mit Windows XP hat sich MS ein Eigentor geschossen, da es schlicht, relativ elegant (natürlich nur in der klassischen Ansicht, nicht der blaue Mist), stabil und performant ist. Kein Mensch braucht auch nur irgendein Vista-Feature, wenn er mal ehrlich ist. Es ist kein Markt dafür da, und würden nicht die Hardwarehersteller einen mehr oder weniger zu Vista zwingen, würde es untergehen.
- Genau der Hardware-Grund spricht v.a. bei einem Notebook gegen Linux, dafür aber für Mac-OS-X. Denn da hat man aktuelle und stabile Treiber, was man bei Linux nicht unbedingt behaupten kann. Da funktionieren auch die ganzen Stromsparfunktionen wie sie sollen (ACPI).
- Ich betreibe mein VAG-COM seit jeher über einen RS-232->USB Wandler und hab' damit keine Probleme. Ich sehe auch kein Problem darin, das auf einem Apple so zu machen - nur ist das Teil dafür eigentlich viel zu schade.
- Windows XP hat idR. kein Problem damit, wenn man fleißig Dinge installiert und löscht und was weiß ich. Ich mach' das fast täglich und das über Jahre. XP hat aber sehr wohl ein Problem damit, wenn man mit zig Tweaking- und sonstiger Tools die Registry und die Dienst korrumpiert und sich dabei einbildet, man würde Performance gewinnen.
- Ein Serverbetriebssystem, das darin brilliert, hochaufgelöste Icons und 3D-Bildschirmschoner darzustellen, ist für mich schlichtweg fehldesigned. Das dachte ich mir bei NT bereits, und es hat sich mit allen Nachfolgeversionen mehr als bewahrheitet. Die Produkte der Windows-Reihe sind für mich - und hier kommt es weniger darauf an, dass alles bunt und anklickbar ist - intransparent, inperformant, inkonsistent und damit absolut kein System, welches ich im Hochverfügbarkeitsbereich auch nur andenken würde. Im Jahr 2000 hab' ich einen Exchange-Server für - was waren's, 20 Konten? - aufgesetzt und hatte einen Memory-Footprint von über 300MB zu verzeichnen. Linux-System samt Mailserver: 30MB. Das System lief vier Jahre lang anstandlos. Bei einer mir bekannten Einrichtung wurde ein Dual-Xeon 2,4 GHz-System mit 2GB RAM und einem RAID-5-Array für heiße 50 Benutzerkonten eingesetzt - das ist schlichtweg Verschwendung, dass es ärger nicht geht. Aber versuch mal, da mit Unix zu argumentieren - chancenlos. Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Da lieber 160.- EU die Stunde einem MS-zertifizierten Techniker in den Rachen schieben, damit er abgekackten Mailserver wieder in die ADS einhängt (nicht glauben, das sei trivial...).
Zu (1): Open Office ist eine ausgezeichnete und stabile Alternative zu anderen Office-Paketen, selbst wenn MS-Kompatibilität erwünscht ist. Ich habe vor über einem Jahr bei einer von mir betreuten Einrichtung die Notbremse gezogen und über den Betriebsurlaub einen Terminal-Server mit Ubuntu drauf für ein Dutzend Ex-Windows-Maschinen (die meisten älter als 8 Jahre) installiert: Software: Firefox, Thunderbird, Open Office. Der Server kostete einen Bruchteil von dem, was soviel neue PCs gekostet hätten - Kosten der Software: Zero. Am Anfang gab's natürlich ein Mordsgeschrei von wegen unverwendbar, unproduktiv blabla. Herausgestellt hat sich, dass der größte Dorn im Auge der Benutzer die fehlende Möglichkeit zur Video- und MP3-Wiedergabe war und dass es keine Berechtigungen gab, Software nachzuinstallieren. Ergebnis: Die PCs waren plötzlich nur mehr dafür gut, wofür sie gut sein sollen: Zum Arbeiten. Die Auslastung der Internet-Anbindung ging nebenbei noch massiv zurück. Inzwischen wird alles über Open Office erledigt - geht ja doch - und abgesheen von anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Drucken und derlei Dinge läuft das System reibungslos. Das schau' ich mir mal bei gleichem Ressourcen-Verbrauch mit den MS-Pendants an...
Windows XP ist gut - ja, das ist es. Aber weder Windows 95, noch 98, schon gar nicht ME und dreimal nicht Vista sind gut. Linux ist architekturell - genauso wie MacOS - besser, um Hausecken sogar. Es ist stabiler, performanter, sicherer. Und das nicht nur, weil es Open Source ist. Wenn man sich darauf einlässt, ist es auch anwenderfreundlich. Es ist nur nicht Windows. Das bedeutet aber nicht, dass ein Windows-Benutzer - DAU hin oder her - nicht in der Lage wäre, es produktiv einzusetzen. Das hat ja die Erfahrung gezeigt. Nein, es ist nur die immerwährende unsagbare Faulheit der Menschen im Allgemeinen, sich auf etwas Neues einzustellen und die Vorteile zu erkennen. Selbiges gilt freilich für Mac-OS.
Jep, soviel dazu.
lG
Bastian