Vorheriges Thema
Nächstes Thema
Thema drucken
Thema bewerten
Registriert seit: Nov 2001
Beiträge: 3,206
Likes: 3
Carpal \'Tunnel
OP Offline
Carpal \'Tunnel
Registriert seit: Nov 2001
Beiträge: 3,206
Likes: 3
Ay Gemeinde…

was bisher geschah:

http://www.audiv8.com/forum/showthreaded.php?Cat=&Board=talk_ger&Number=129495&page=1&view=expanded&sb=5&o=&fpart=1

Ich bin ein wenig abgelenkt vom peinlichsten Fernsehprogramm seit Jahren und genieße meinen Kaminofen und einen guten Rotwein und versuche mich zu erinnern, was da eigentlich war, vor einer Woche…

Genova liegt hinter uns, der V8 schnurrt weiter in Richtung der azuren Küste und die Sonne senkt sich langsam (leider himmelsrichtungbedingt nicht über dem Wasser) und taucht die mediterrane Landschaft in eine goldene ölige Stimmung.
Endlich dem Trubel entronnen atmet der Audi hörbar auf. Auch wenn das Kühlwasserthermometer sich nicht beeindrucken lässt und beharrlich gute Laune propagiert, dem nicht ganz zu taffen Ölthermometer merkt man es an, dass der in Ehren ergraute Wagen angestrengt ist. Es geht langsam hoch… das sieht man sonst ja nie…

Eigentlich haben wir nicht mehr wirklich Bock, weiter zu fahren und suchen nur noch einen Grund, zu sagen "HEY hier ist es schön lass uns doch hier bleiben"!
Im Vordergrund der Szene ahnt man türkises Wasser und Buchten mit kleinen noch schlafenden Fischerbooten auf weißen Stränden, im Hintergrund erheben sich um diese Jahreszeit unüblicherweise mit Schnee bedeckte Alpenketten.
Palmen rauschen vorbei, und plötzlich sagt sie "HEY hier ist es schön lass uns doch hier bleiben"!

Wir sind in Arenzano, einem kleinen Dörfchen zwischen Genovas stinkender und lärmender Hafen-Industrie-Kulisse und irgendwo weiter westlich. Palmen säumen die Promenade, ein unerwartet kalter Abendwind peitscht das sonst so ruhige Mittelmeer an die Küste und einige kleine mühlige Pensionen laden zum Verweilen ein. Der Audi, inzwischen recht müde, wird kurzerhand mitten auf die Straße gestellt, weil eine kleine Penzionette mit zumindest optisch günstigen Preisen und Gemütlichkeit lockt.
Na gut, eher ein Restaurant.
Im Foyer beim Empfang des Hotels sitzt ein kleiner fetter italienischer Junge und daddelt an der Playstation. Er nimmt und nicht mal wahr, obwohl glaube ich Gäste in dieser Jahreszeit bestimmt was ganz besonderes sind… Nachdem wir ihn drei Minuten lang mit offensichtlichen Buchungswünschen in den Augen angesehen haben, ohne auch nur den Hauch einer Reaktion zu bekommen, wollen wir eigentlich wieder gehen. Ein Gastwirt, beiläufig auf uns aufmerksam geworden, mit Schürze sagt in einem Mix aus Italienisch-Englisch, dass er mal schauen wird, wo der Besitzer sei. Als auch der nicht wieder auftaucht gehen wir, befreien den Audi vom Straßenstehen und fahren ins Zentrum, wo uns weitere cosy Hotels empfangen.

Am Ende einer verschlafenen Fußgängerzone erhebt sich direkt an der Strandstraße ein weiteres Restaurant, wo wir in jeder Sprache bis auf Englisch ein kleines Zimmerchen mit Balkon in Richtung Mittelmeer buchen. Die Zeit hier scheint still zu stehen, die Tapete sieht aus wie eine Bildstörung, das Bad ist nachträglich reingezimmert, aber mein Weinfässchen steht gut.
Ein kleiner Abendspaziergang durch das hier irgendwie nicht mehr so freundliche Wetter mit brandendem Mittelmeer, stobender Gischt und einigen tief fliegenden Fischen lassen uns nach einer kurzen Odyssee durch diverse liebevoll verwinkelte Gassen in eine sympathische Pizzaria driften, die gut gefüllt mit einheimischen Spätheimkehrern ist – was man ja als gutes Zeichen für die dortige Küche werten kann. Dieses bestätigt sich auch bei der Ankunft der bestellten Pizzen… Was man in Deutschland auf den Teller bekommt ist ein flauschiger Witz gegen diese Wagenräder! Einen halben Meter im Durchmesser, hauchdünn mit fluffigem Rand und belegt mit diversen Sachen, die einfach nur nach Urlaub schmecken!

Der zweite Abend endet eher gerollt als geschüttelt, derart vollgefuttert nehme ich unüblicherweise den alten Fahrstuhl in der Größe einer Duschkabine hoch ins Zimmer, wir sagen den Palmen gute Nacht und fallen in einen traumlosen Schlaf, während das Wasser donnernd an die Küste brandet, so wie es das schon seit tausenden von Jahren tut…

Tag DREI, irgendwie fühlen sie und ich uns weder gestresst noch gedrängt, aber auf jeden Fall als wären wir schon mindestens eine Woche unterwegs… Und die Sonne kann noch nicht vollständig überzeugen, es ist zwar ansatzweise mild draußen aber wir suchen noch was anderes…
Noch immer die Schrecken der Kräutermarmelade des Frühstücks in der Schweiz auf dem Gaumen suchen und finden meine jeden Tag hübscher und strahlender wirkende Reisebegleitung und ich ein kleines schon geöffnetes Kaffee in jener verschlafenen Fußgängerzone und gönnen uns ein Brioche mit Puddingfüllung (nominiert für die Kilo-Kalorie der Woche, zumindest unter Frauen) und eine nicht näher genannte Anzahl von leckeren Kaffees. Dieser Laden scheint hier schon seit Christi Geburt zu stehen, und es ist ein reger Durchlauf von Menschen, die sich alle gleich verhalten: Reinkommen, kurz mit dem Mann am Tresen hektisch was plaudern und lachen, eine Teigware aus dem Kasten nehmen während jener Mann die Kaffees professionell bereitet und dann alles im Stehen um sich guckend verzehren, fortwährend babbelnd in dieser Sprache, die klingt, als hätte sich jemand auf den Schnellvorlauf-Knopf gesetzt.

Der Audi, über Nacht mehr oder weniger sicher geparkt auf einem kleinen Parkplatz vor dem Hotel, bringt uns leicht verschlafen durch kleine nette Örtchen, die wohl in keinem Reiseführer verzeichnet sind. Hier, zwischen Genua und Monte Carlo, wird der Standard-Tourist wohl vermutlich nach Genua oder gleich nach Monte Carlo fahren, denn was soll er dazwischen? Gut, es gibt noch San Remo, diesen weltberühmten Badeort, an dem auch immer alljährlich das Schlagerfestival stattfindet…
Wir jedenfalls bleiben kurz in Noli hängen, genießen ein vorletztes mal italienischen Flair, kleine Kaffees, besonders eines, wo unzählige bunte Schnapps-Tonkrüge im Regal stehen, eine verwinkelte Altstadt und dieses unvergleichliche Panorama, wenn man hochschaut, dass man zwischen den Fenstern immer Wäscheleinen mit Unterwäsche, Höschen und Schlüpferchen bewundern darf, die da trocknen. Ist es nicht herrlich?
Sie möchte ihr Haus in der Provence, welches sie sich irgendwann mal kaufen will, Mühli Noli nennen.

Der Audi ist eindeutig länger als alles andere, was hier parkt, aber irgendwie kommt man schon durch alle Gassen durch. Hier gibt es einen Obststand, dort eine kleine Bäckerei, wieder woanders duftet es nach Gewürzen…
Saß ich noch vor drei Tagen im verregneten Sauerland und hab Formel 1 geguckt? Ich kann es nicht glauben…

Was passiert eigentlich mit einem nach dem Genuss von 4 Kubikmetern Kaffee in drei Tagen? Wird alles wieder gut? Gibt es da Statistiken??? Egal, so lecker wie hier unten schmeckt er nirgends, also wird er an jeder möglichen Ecke genossen…

Auch in San Remo kann das Wetter noch nicht 100% überzeugen, aber die Frau an meiner Seite ist der felsenfesten Überzeugung, dass es morgen, am letzten Tag, besser sein wird. Die Wolken deuten so was an, und tatsächlich kommt gegen Abend schon ein wenig Abendsonne zum Vorschein!
Wir passieren kurz darauf Straßenschluchten, die wir alle aus dem Fernsehen kennen. Durchqueren Tunnel, in denen einmal im Jahr Motorengeheul zu vernehmen ist. Ansonsten ist Monte Carlo eigentlich nicht sehenswert, aus Platzmangel hat man hier alle Häuser in den Himmel gebaut, und die meisten wohnen eh auf einem der Schiffe im Hafen, die den Gegenwert von Madagaskar haben dürften.
Augen auf und durch.

Nun dämmert es auch langsam, nach Menton kommt Villefranche und wir sind in Frankreich und müde und suchen uns wieder ein Hotelchen. Das erste in der Straße ist gleich ein Erfolg. Englische Jugendstilzimmer, ein gewaltiges Bett (mit einer Schlucht in der Mitte gleich dem Grand Canyon), mein Weinfässchen steht auch schon…

Der freundliche, perfekt deutsch sprechende Hotelier empfiehlt uns noch ein paar Restaurants in der alten Hafenstadt und wir machen uns auf die Socken nach einer kleinen gemütlichen Futterkrippe.

Das wiederum gestaltet sich gar nicht so einfach, weil zum einen gerade zwei Kreuzfahrtschiffe im Hafen liegen, die eine nennenswerte Horde Engländer in die Stadt gekippt haben, die nun auch alle gleichzeitig und very british vor sich hin palavernd Hunger bekommen haben! Also sind schon einmal diverse Läden schlicht zu voll und zu englisch. Dann gibt’s welche, in denen kein einziger Mensch sitzt, was ebenso verwundert. Andere sind zu vornehm und zu teuer, daneben die gleichen eher wieder einem Schnellimbiss, dann gibt’s Karten, auf denen Sachen stehen, die keiner verstehen kann…
Nachdem wir also die ganze Altstadt kennen gelernt und mindestens 42 Kilometer zu Fuß zurückgelegt haben und unser Magenknurren inzwischen einem aufziehenden Gewitter gleicht wagen wir uns in ein englisch angehauchtes nettes Katakombenlokal, was von außen leicht ritterlich anmutet. Drinnen ist reges Treiben, die Tür schließt nicht ganz weil die Eistheke davor ist und es zieht ein wenig aber die Karte klingt lecker und ist sogar alternativ auf Englisch.

Okay und was ist Cot???
Der Hauptgang im empfohlenen Menü jedenfalls… Irgendwas fischiges… Am letzten Abend nehmen wir all unseren Mut zusammen und bestellen uns dieses Menü und… … … werden sehr angenehm überrascht! Es gibt als Vorspeise Salat mit warmem überbackenem Schafskäse, das Hauptgericht entpuppt sich als leckeres Stück Fisch (Cot???) mit Gemüse und Kartoffeln und hinterher gibt’s noch eine in Schnapps getunkte Birne. Klasse! Der Mut wird belohnt!

Als ich am kommenden Morgen statt fallendem Schnee die Sonne sehe, die langsam den Baum vorm Fenster vor einem tief blauen Himmel beleuchtet, weiß ich, dass wir endlich da sind, wo wir hin wollten!
Morgens um 9.00 Uhr in einem Kaffee draußen an einer stark befahrenen Durchgangsstraße sitzen, mit einem Grand Cafe Crema und einem Croissant und einer hübschen langhaarigen Frau, die Sonne scheint und es ist WARM! SO warm, dass ich erstmal rein gehe und mich ins Internet einlogge, um die Mails zu checken.

Direkt neben Villefranche ist Nizza, in den damaligen Urlauben meiner Jugend immer das Endziel der Cote d'Azur gewesen. Der Boulevard des Anglaises mit seinen mächtigen Palmen säumt den Steinstrand, an den das türkise Wasser unter einem blauen Himmel brandet.
Noch das Parkhausdebakel von Mailand im Hinterkopf wird der Audi in ein bewachtes Parkhaus gestellt, welches sich als windige Halle entpuppt, wo ein dunkelhäutiger junger Kerl mich um meinen Schlüssel und eine Unterschrift bittet… Das macht mich etwas nervös, er steigt in den Wagen und rangiert ihn in irgend eine hintere Ecke und wir gehen raus… sehr beunruhigend, eigentlich gebe ich meinen Autoschlüssel nicht einfach so jedem… hm… ich kenn den doch gar nicht…

Ein Kaffee direkt am Mittelmeer stimmt mich wieder fröhlich, wir machen Fotos, bummeln die Promenade rauf und runter und lassen uns durch die Altstadt treiben, wo es die wunderlichsten Eissorten gibt. In der dann als beste Eisdiele der Welt bezeichneten Gelateria gibt’s tatsächlich Rosen-eis, Veilchen-eis und Lavendel-eis. Ich enthalte mich in diesem Fall dezent und beobachte, wie die Dame meinse Herzens verträumt an etwas rumleckt, was ansatzweise nach Blumen und Seife zu schmecken scheint, aber offensichtlich lecker ist. Na gut. So ein schlichtes Thunfischbaguette hat ja auch seinen Reiz, oder Handpizza oder (um sie noch zu erwähnen) diese kleinen grünen Bälle, die innen irgendwie wie eine trockene Rumkugel schmecken und außen mit Pistazienbröseln beklebt sind und wo man nach einem einzigen schon das Gefühl hat, eine Dose Bauschaum verschluckt zu haben, die gerade aufgeht. Sie hat davon DREI gegessen. Ich bin beeindruckt.

Am Nachmittag, leider kann man ja gar nicht genug Zeit in Nizza verbringen, holen wir gespannt das Auto aus dieser Garage… es ist noch da, oh wie schön, alles dran und heile und 14 Euro Parkgebühr lassen sich verschmerzen… So schoppen wir noch ein wenig für den Heimweg (der obligatorische 5-Liter-Landweinkanister, eine sehr orange Brause mit Fruchtfleisch, Baguette und so) und nehmen uns vor, heute noch bis mindestens Sisteron kurz vor Grenoble zu kommen, um die schlimmste Bergetappe hinter uns zu haben. Es ist Mittwoch Abend, die Sonne sinkt langsam und die Route Napoleon liegt irgendwo am Horizont.

Irgendwo ist ein bisschen relativ, denn die einzige Karte ist ein sehr alter grober Faltplan, und meine fröhliche Ledersitznachbarin lotst uns zielstrebig und präzise auf der Straße, die direkt in Richtung Autobahn geht. Diese Autobahn finden wir auch wieder, allerdings einige gefühlte Kilometer unter uns. Die Karte hat keine Höhenangaben…
Also das beste draus gemacht, nämlich noch ein paar stimmungsvolle Fotos von Nizza von oben, oberhalb (WEIT oberhalb) von Villefranche und Cap Ferrat noch mal ein bedeutendes Stück zurück gefahren und dann irgendwann die Autobahn gefunden, diese durchgezogen bis Cannes und dann ab ins Hinterland, in die Berge…

Ich erinnere mich noch genau an die Route Napoleon, die N85. Damals sind wir die im Taunus mit 71PS ohne Servolenkung gefahren, und es war Schwerstarbeit! Schalten, kuppeln, gas geben, am Lenkrad reißen, wieder schalten und das immer und immer wieder. Bergauf war der Motor kurz vorm Kochen, Bergab hat er sich wieder beruhigt. Und hinter jedem Pass kam ein neuer Berg, ich entsinne mich dass mir diese Passage bemerkenswerte Oberarmmuskeln gebracht hat!
Wie angenehm ist es doch in einem Audi V8. Der schaltet immer von ganz allein, die Lenkung ist mit zwei Fingern zu bedienen und man sitzt immer noch wie im Sofa. Lästig sind allein die Einheimischen mit ihren Renaults und Fiats, die keinen Respekt vor einem Quattro haben und trotz der schon unentspannten 80 Stundenkilometer in den Serpentinen einem noch an der Stoßstange kleben und drängeln… Ich lasse sie regelmäßig vorbei…

Keine Stunde später kippt die Atmosphäre in eine komplett andere Richtung. Das Thermometer ist ob des Höhenunterschiedes auf 1 Grad gefallen, vereinzelt kommen uns Autos mit Schnee auf dem Dach entgegen und wir tanken frierend an einer der letzten offenen Tankstellen vor den Hochalpen lieber noch mal voll. Das Licht verschwindet irgendwo im Rückspiegel, wo noch letzte Fragmente des warmen Mittelmeeres zu entdecken sind, aber hier in einer Höhe über 1000 Metern verschwinden die letzten Krüppelkiefern in der Dunkelheit.

Eine Einsamkeit, die noch untermalt wird von melancholischer Musik von Anna Ternheim aus Norwegen. Gegenverkehr kommt nur noch im Abstand von 30 Minuten, und wir erzählen uns Gruselgeschichten, bis wir irgendwann merken, dass wir doch recht unentspannt sind. Was, wenn trotz Quattro und Winterreifen der Audi in einer glatten Serpentine über den Rand drückt und wir abstürzen? Man findet uns hier doch niemals… Später fällt uns die Geschichte mit dem defekten LiMa-Regler ein, neulich, hinter Osnabrück… man gut dass das hier nicht passiert ist, wie furchtbar, in Frankreich im Schnee in den Bergen bei Nacht und die Karre bleibt stehen. ADAC Auslandsschutzbrief und Handy hin oder her, es gibt angenehmeres!

Aber der Audi läuft und läuft. Irgendwann nach Stunden reißt die bizarre Landschaft auf, und vor uns liegt nicht nur die Autobahn nach Grenoble, sondern auch Sisteron, ein kleines kuscheliges Städtchen in den Bergen. Mitten drin finden wir auch gleich ein Hotel mit Geranien in den Blumenkästen. Das relativ gemütliche Zimmer ist auch weit genug vom lärmenden Cola-Kühlschrank entfernt, und glücklich, eine Bleibe gefunden zu haben gehen wir ein letztes mal lecker essen.

Die Nacht, ausgerechnet die letzte Nacht gestaltet sich ich nenne es mal abwechslungsreich. Schon auf dem Flur vorm Zimmer bleiben wir schmunzelnd stehen, weil im Zimmer gegenüber ziemlich intensiv und laut gepoppt wird. Draußen auf der Straße ist auch noch dies und das los, und im Nebenzimmer plaudern drei Franzosen über Gott und die Welt.
Ich muckel recht schnell weg und werde kurz darauf davon wach, dass sie nicht schlafen kann. Im Nebenraum scheint eine Menge Alkohol zu fließen, und die Unterhaltung wird lauter. Da kann sie nicht bei schlafen. Also gehe ich in Boxershorts und T-Shirt rüber und bitte die Jungs auf Französisch, doch mal leise zu sein. Nachdem ichs auch noch auf Englisch getan habe (ja ist denn mein Französisch so schlecht?) kehrt für kurze Zeit Ruhe ein, die aber nicht lange anhält. Sagt man mir. Ich bin einfach stumpf wieder eingeschlafen… Ich bekomme auch nichts von dem neuen Paar mit, das sehr ausdauernd und in einer offensichtlich beeindruckenden Lautstärke nebenan kopuliert. Erst bei Anbruch des Morgens werde ich wach, weil aus irgendeinem pauschalen Grund an diesem Morgen das Hotel Heizöl geliefert bekommt und der Laster mit dröhnendem Diesel und zischendem Bremsventil die Brühe in den Keller unter unserem Fenster pumpt. Irgend jemand liegt neben mir und brummelt was in einer fremden Sprache, ich bin erschüttert wie Schlaflosigkeit einen Menschen verändern kann…

Ein letztes mal klaue ich für meine große Tochter sämtliche Einweg-Seifen und Shampoos (eine stattliche Sammlung nach vier Nächten!) und verspreche der Frau, die für all das hier verantwortlich ist, einen riesigen Kaffe. Das lässt sie lächeln. Es wird ein guter Tag werden.

Der Kaffee ist wie alle anderen auch (abgesehen von dem in der Schweiz) lecker und schmeckt nach mehr. Das Meer wiederum liegt nun schon weit hinter uns, und wir schlagen uns über die letzten Serpentinen, Schneehaufen und Bergdörfchen bis nach Grenoble vor. Erwähnenswert an dieser Stelle ist ein kleines Bergdörfchen, wo wir einen letzten französischen Kaffe trinken und bei der Rückkehr zum Auto vier ältere fachsimpelnde Franzosen um den Audi herum stehen sehen. Sie zeigen auf die Reifen und Felgen, deuten auf das V8 Schild am Kühlergrill, begutachten die Echtheit der beiden Auspuffrohre (siehe Bild)… Ich sage ja das wird ein guter Tag, und mit stolzgeschwollener Brust gullern wir vom Platz. Und ich muss ein weiteres mal einer attraktiven Frau erklären, was denn eigentlich an diesem Auto so besonders sei, dass immer wieder Menschen einen darauf ansprechen.
Und ich glaube sie hat es zwar verstanden, kann es aber noch immer nicht nachvollziehen. Hey Babe, so sind sie nun mal, die Männer.

Über Grenoble geht es in die Schweiz in Richtung Basel. Jetzt wollen wir auch echt nach Hause, es war schön aber das Bettchen ruft. Irgendwo auf der schweizer Autobahn – ich habe gerade ein wenig geschlafen, während sie mit rhythmisch zuckendem Gasfuß und Dance-Mucke den V8 durchs Land von Nestle und Roche treibt – übermannt uns ein Heißhunger, und die Tatsache ignorierend dass wir keine Franks oder wie diese Nicht-Euros heißen dabei haben bestellen wir selbstbewusst an einer Raste jeder ein Hacksteak mit Pommes. Kann oder soll man auf einer Autobahn etwas anderes essen? Nein.
Dieser Tag wird in meine ganz persönliche Geschichte eingehen als der Tag, and dem ich für zwei Hacksteaks sechzig Mark ausgegeben habe. 28 Euro. Ich bitte die Kassiererin noch grinsend, dass doch mal in Euro umzurechnen, und die sagt mir das habe sie schon getan, ich könne aber auch 48 Franken bezahlen…
Hey Roy und ihr anderen Schweizer! Sagt mal was verdient ihr da unten eigentlich so im Schnitt? Dass man bei euch schon so nen Maurerknödel mit der Kreditkarte bezahlen muss??? Ja ist das denn zu fassen?

Deutsche Grenze: Vorbei mit dem guten Wetter. Wie mit dem Lineal gezogen reißt Petrus die Schleusen auf und die Straße ist vor Wasser nahezu nicht mehr zu sehen! Na danke, jetzt weiß ich wieder warum ich gestern noch in Nizza war.

Der Verkehrsfunk wiederum spricht noch eine ganz andere Sprache: Winter in Hessen, Vollsperrung diverser Straßen wegen Schnee- und Eisglätte, die Autobahnen voll mit quer stehenden Lastern, Chaos, Sodom und Ghomorrah. Hessen? Hey da müssen wir durch. Aber wo ist der Winter?
Deutschland – Lisa. Das Navi geht wieder. Es sollen noch 150 Kilometer bis zum Bettchen im Sauerland sein, und am Fenster kleben zwar Seesterne und Algen, aber von Schnee keine Spur. Bis jetzt.
Und WUPP ist die Fahrbahn dicht, wir scheinen eine magische Höhengrenze erreicht zu haben, die Autobahn ist weg, alles weiß und es rieseln so dicke Flocken dass ich nur noch 40 oder so fahren kann, weil ich schlicht nichts mehr sehe.
Das geht so lange, bis die ersten LKWs an uns vorbei ziehen (was machen die eigentlich kurz vor Mitternacht noch bei diesem Wetter hier???) und ich mich da hinten dran hängen kann, denn dann habe ich wenigstens Rücklichter als Anhaltspunkte…

Kurz vor "Da-wollte-ich-eigentlich-hin" ist der Spuk vorbei, der Schnee ist abrupt weg und es regnet nur noch.
Müde aber glücklich kommen wir nach vier Tagen wieder da an, wo wir losgefahren sind. Vier Tage? War es wirklich so wenig???

Was nehme ich als Bilanz mit?
Wenn du ins Sauerland fährst, lass dein Fahrrad zu Hause, du wirst ohnehin in den Süden Cruisen.
Kosten? 2800 Kilometer mit einem 280PS starken allrad getrieben und sehr bequemen souveränen Audi V8 kosten über 400,- Euro Super bleifrei. Doppelzimmer an der Riviera sind ohne Frühstück für 40-50 Euro zu haben. Eine Pizza in der Osteria kostet 9 Euro, ein halber Liter Landwein 4 Euro und ein Milchkaffee 1,80 – 2.40. Alles in allem? Scheißegal.

Es war super. Es war nicht erholsam, aber ich nehme so viele Eindrücke und Farben und Gerüche mit, dass ich davon monatelang zehren kann.
Ich empfehle euch DRINGEND solche abgefahrenen Kurztripps. Vielleicht habt ihr ja eine ähnlich durchgeknallte rastlose Freundin wie ich. Hört auf sie. Tankt voll und fahrt los. Füttert die Hummeln in ihrem Arsch. Es tut so unglaublich gut.

Pfingsten wollen wir gleich nach Nizza und dann Richtung Cassis… Wir werden sehen.

Sandman

130041-Beobachter.JPG (0 Bytes, 96 downloads)

Alles wird gut.

www.sandmanns-welt.de
FB: SandmannsWelt
Registriert seit: Feb 2005
Beiträge: 527
addict
Offline
addict
Registriert seit: Feb 2005
Beiträge: 527
Hallo Sandmann,

da bekommt man echt mal wieder Lust auf solche Kurztripps. Früher sind wir acuh bis nach Cadiz mit Zelt und Colt (das Auto) gefahren. Irgendwie ist das verloren gegangen. Die Kinder haben immer irgendwas und zu tun ist auch immer was wichtiges.

Aber der Entschluss steht. Es geht dieses Jahr noch los. Italien war ich noch nicht und jetzt hab ich Lust dazu. Werde die Karten schonmal ins Navi laden. Man will ja vorbereitet sein.

Danke für die Anregungen.


Grüße Ralf K. ehemals Audi S4 Avant V8 (ABH) Prins Autogasanlage Tesla Model 3
Registriert seit: Aug 2006
Beiträge: 2,612
Carpal Tunnel
Offline
Carpal Tunnel
Registriert seit: Aug 2006
Beiträge: 2,612
*applaus*

Schöne Geschichte Jens!


Das mit dem Parken kenne ich zu gut:

Ich war 2005 mit meinem Schatz auf einem Trip durch Italien.


Nicht nur dass wir in einem ort namens "Tourette" (ja, der hieß wirklich so!!!) ein dermaßen hässliches Hotelzimmer bekommen haben. Nein, das Bett war nur aufgeschüttelt, und es waren noch haare vom Vorgänger auf dem Laken des Kopfkissen ...

Und dann hört man die ganze Nacht alle 30min einen 17km langen Güterzug vorbeirumpeln, in ca 150m Entfernung!


Doch zurück zum Thema Parken:

In Verona im Parkhaus ziemlich genau in der Stadtmitte. Dort muss man den Schlüssel stecken lassen! Bloß nicht absperren und ja alle Wertsachen mitnehmen ...

Also wir nach dem Tag in der Stadt die ich ziemlich hässlich fand (war mir irgendwie zu "alt") wieder ins Parkhaus kamen, war er natürlich weg, mein Langer (Passat35i) ... nach einer halben Stunde Marsch durchs gesamte Parkhaus haben wir ihn dann wiedergefunden. Mit grausam verstelltem Fahrersitz.


Kommt noch ein Teil 3 ??



Grüße aus München


Runter kommen alle. Aber nicht hoch. quattro von Audi.
Registriert seit: Nov 2001
Beiträge: 3,206
Likes: 3
Carpal \'Tunnel
OP Offline
Carpal \'Tunnel
Registriert seit: Nov 2001
Beiträge: 3,206
Likes: 3
Ay Sebastian,

nein gegen einen dritten Teil spricht so einiges...
Zum einen werfen mir die ersten Freunde unverhohlen Narzismus und Selbstdarstellungswahn vor , zum anderen ist das hier keine Plattform für Reiseveranstalter und außerdem endet ja der zweite Teil damit, dass wir wieder zu Hause sind... äh...

Über Pfingsten wollen wir nochmal los, diesmal auch mit Kartenmaterial. Im Zeitalter von 5 Euro pro Gigabyte SD-Karte scheuch ich gerade Österreich, Schweiz, Italien und Frankreich da rauf...

Fra ottocentri metri ... ARRIVO!!!

Sandman


Alles wird gut.

www.sandmanns-welt.de
FB: SandmannsWelt
Jens Tanz #131136 03.04.2007 09:00
Registriert seit: May 2006
Beiträge: 107
member
Offline
member
Registriert seit: May 2006
Beiträge: 107
Hi,

ja dieses Gefühle kenne ich auch! Ende April setzen sich meine süße und ich auch in den A8 und fahren durch Lisa gelenkt in den Süden. Venedig ich komme. Dann noch einen kurzen Abstecher zu Lamborghini und dann vielleicht noch weiter Richtung süden. Immer der Sonne hinterher.

Wieviel Kanister Öl hattest du eigentlich mit? *ggggg*

Es gibt nix schöneres als den V8 leise zu vernehmen, Lisa denken zu lassen und wie im Wohnzimmer vorm Fernseher die Km abzuspulen!

mfg


Audi 80 Typ81 TD Audi A8 D2 3.3 V8 Quattro
Jens Tanz #131137 03.04.2007 09:05
Registriert seit: Aug 2006
Beiträge: 2,612
Carpal Tunnel
Offline
Carpal Tunnel
Registriert seit: Aug 2006
Beiträge: 2,612



Muss dann wohl bis Pfingsten warten ...


Runter kommen alle. Aber nicht hoch. quattro von Audi.
Registriert seit: May 2006
Beiträge: 21,731
Likes: 3
Carpal \'Tunnel
Offline
Carpal \'Tunnel
Registriert seit: May 2006
Beiträge: 21,731
Likes: 3
wir verdiehnen mehr als ihr... aber wie du siehst ist eben auch alles teurer... wobei deine 48 Franken definitiv überrissen sind!! Dafür futtert man sonst 2 Portionen Salat/Suppe/Eglifilet an Mandelsauce/Dessert... okay ein wenig übertrieben.... aber glaub nicht es sei überall so... scheinbar bist du sowieso bei den Romand gelandet... FALSCHE ECKE! Dorthin geht man nur wenn man wirklich muss!!! Aber irgendwie motiviert mich deine Geschichte dazu, doch "eher" als "später" nach Italia zu fahren.....

Jens Tanz #131139 04.04.2007 03:05
Anonym
Unregistriert
Anonym
Unregistriert
Narzismus und Selbstdarstellungswahn macht doch nichts


Moderiert von  Manfred H., Manfred M., Thorsten D 

Link in Zwischenablage kopiert
Powered by UBB.threads™ PHP Forum Software 7.7.5
(Release build 20201025)
Responsive Width:

PHP: 7.4.28 Page Time: 0.015s Queries: 32 (0.012s) Memory: 0.6564 MB (Peak: 0.7735 MB) Data Comp: Off Server Time: 2025-08-24 21:42:35 UTC
Valid HTML 5 and Valid CSS