Ay Gemeinde.
Ich bin gestern Abend seit langem mal wieder im KVG Bus durch Kiel gefahren.
Im Gepäck die Gitarre, zwei Flaschen Wein und eine Menge Gesprächsbedarf.
Neben mir eine fette Frau mittleren Alters mit ihrem nach Schweiß stinkenden Sohn, vor mir ein vom Leben genervter Teenager mit Knopf im Ohr, hinter mir der Senioren-Scrabble-Club in reger Diskussion um den bevorstehenden Abend.
Man sieht die Stadt mit anderen Augen.
Die Geschäfte ändern sich, aus Bäckereien werden Discount-Back-und-mehr-Shops, aus Elektro-Fachmärkten werden Handy-und-mehr-Shops und aus Klamottenläden werden 1-Euro-und-mehr-Shops.
Über allem liegt der Nieselregen einer post-Dämmerung am letzten Januartag des Jahres.
Komische Melodien kreisen in meinem Kopf, während der Wind alte nasse verklebte Zeitungen über die seltsam leeren Straßen fegt.
Passanten fliehen unter umgeklappten schwarzen Regenschirmen vor dem Wetter oder vor ganz anderen Dingen, die ich nicht ahnen kann.
Schummerig beleuchtete Telefonzellen erzählen von Gesprächen über Liebe, über Leid, über Fröhlichkeit und über Kummer. Gespräche, die geführt wurden und längst vorbei sind. Die Telefone sind stumm.
Ladenpassagen schließen hinten den letzten Kunden ihre Türen, Geschäftsführer holen die Werbeschilder rein und bauen die Außendekos ab.
An einer Ampel steht ein kleiner Junge und guckt betreten auf den Boden. Er sieht das grüne Männchen, bleibt aber stehen. Ich drehe mich um und sehe zu ihm zurück, während der Bus weiter fährt. Und irgendwann ankommt.
Der Bus hat das geschafft. Warum fällt das in anderen Bereichen so schwer?
Auf einer alten Litfass-Säule steht Total-Ausverkauf. Stimmt. Wenn die wüssten, wen sie damit alles meinen könnten.
Viele Stunden später. Der Rückweg ist anders.
Über der Stadt liegt die verregnete Ruhe der frühen Morgenstunden mitten in der Woche. Die Zeit, in der die meisten noch nicht aufstehen müssen und selbst die Spätschichtler schon im Bett liegen. Bis zur Morgendämmerung ist es noch lange hin. Busse fahren keine mehr.
Der Taxifahrer ist freundlich und versucht in einer Tour, mit mir ein Gespräch über Gitarren anzufangen. Da die beiden Weinflaschen aber inzwischen ihrer Bestimmung zugeführt wurden bin ich keine gute Unterhaltung für ihn. Also fahren wir durch die Nacht in einen neuen, ungewissen Tag.
Es ist ein Donnerstag.
Ihr habt einen lustigen Sandman Text erwartet, nicht wahr? Nööö, heute nicht.
Aber wisst ihr warum ich wieder froh bin, dass ich Geld verdiene?
Es ist viel angenehmer, im Taxi zu weinen als im KVG Bus.
Sandman